Akteneinsicht: Was beinhaltet eine Ermittlungsakte und woher stammt diese?

Akteneinsicht

Die Geltendmachung des Akteneinsichtsrechts ist strafrechtsanwaltliches Kerngeschäft.

Der normale Weg einer Strafverfahrensankündigung ebnet sich dort, wo der Mandant – für diesen häufig völlig unerwartet – ein Schreiben der Polizeidienststelle des angeblichen Tatortes per Post erhält.

Darin steht in etwa, im Ton je nach Bundesland variierend:

„in dem gegen Sie laufenden Ermittlungsverfahren wegen §§ 223, 224 StGB  zulasten…werden Sie hiermit aufgefordert unter Mitnahme dieses Schreibens, sich bei Herrn oder POM X am 20.04. um 12.30, Verhörzimmer 0815 einzufinden“.

Oder aber man erhält unter Angabe des Vorwurfs einen Fragebogen, in dem man zunächst seine Einkommensverhältnisse umschreiben soll, sowie die Berufsposition und den Bildungsstatus.

Sodann soll man laut Polizei in klein gehaltene Kästchen rückseitig des Bogens seine Rechte geltend machen.

Den krönenden Abschluss bildet der Satz am Ende (häufig):

„Sollten Sie zu diesem Termin nicht erscheinen, müssen wir davon ausgehen, dass Sie von Ihrem Recht, auf rechtliches Gehör nicht Gebrauch machen wollen“.

 

Im Ermittlungsverfahren umreißt der Inhalt der Ermittlungsakte den hypothetisch aufgeworfenen Verdacht des Mandanten. Denn ein Verdacht ist immer nur eine Vermutung, eine Prognose, welche sich aber nicht bewahrheiten muss.

Als Verteidiger verstehe ich meine Aufgabe auch darin, gegen einen Verdacht der Behörde betreffend meines Mandaten vorzugehen und eine strafjuristische Expertise abzugeben, dass der Fall für einen dringenden oder hinreichenden Verdacht eben nicht ausreicht.

Dazu muss man verstehen:

Die Anschuldigungen gegen einen Menschen entstehen qua Strafanzeige oder Strafantrag grundsätzlich von einer dritten natürlichen Person oder eines Ermittelns durch den Staat nach dessen eigener Wahrnehmung von einer Straftat oder durch ein internationales Rechtshilfeersuchen, zB durch einen europäischen Mitgliedsstaat oder durch das Kriminalamt eines anderen Bundeslandes der BRD.

Aber auch private Unternehmen, d. h. juristische Personen üben zumindest mittelbar Druck auf Personen aus, die in ein Strafverfahren münden können.

Die Kündigung eines Girokontovertrages durch eine (deutsche) Bank mit ihrem Geschäftspartner, jetzt Beschuldigter von Wirtschaftskriminalität, führt zur Herstellung eines sog. Rotbandes (so werden Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft genannt, da sie einen roten Aktendeckel haben) und verpflichtet die Staatsanwaltschaft, Abteilung Wirtschaftssachen, eine Ermittlungsakte zB wegen des Vorwurfes der Geldwäsche anzulegen.

Dazu ist die Strafbehörde wegen des sog. Legalitätsprinzips, dem sog. Verfolgungszwang verpflichtet; §§ 152 II, 163 StPO.

Dies bedeutet, dass auch Begebenheiten des alltäglichen Lebens, wie hier Abbuchungen, Überweisungen und Bar- Einzahlungen auf das eigene Konto ein Strafverfahren nach sich ziehen können.

Denn die deutschen Banken sind verpflichtet, sog. Verdachtsanzeigen wegen europäischer Richtlinie an eine zentrale Clearingstelle beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden anzuzeigen müssen, wenn die Bareinzahlungen eine Höhe von 10.000,00 EUR überschreiten.

Dass die Verurteilungszahlen bei der Geldwäsche § 261 StGB äußerst gering, die Zahlen bei für Mandanten folgenloser Einstellungen hingegen äußerst hoch sind, verwundert vor diesem Hintergrund also nicht.

 

Was bringen Kenntnisse aus der Akte?

Der Besprechungstermin beim Anwalt dient der Mitteilung seiner Einschätzung vom Akteninhalt an den Mandanten und über die Qualität der Beweismittel staatlich oder privat erhobener Anschuldigungen gegen diesen.

Dazu zählt vor allem eine anwaltlich erfahrungsfundierte Prognose dahin, ob es zu einem Strafverfahren kommen werde, ob, und wenn dann, wie die Strafsache eingestellt werden kann und ob es und wenn dann unter welcher Anstrengung zu einem für die Staatskasse kostenpflichtigen Freispruch kommen kann.

Wir halten fest:

Die Geltendmachung eigener Beschuldigtenrechte am Verhörtisch der Polizei führen nicht zum Vorteil des Mandanten. Die qua Gesetzes repressiv (kommt von Repressalien) handelnde Polizei ist verpflichtet, Straftaten zu verfolgen.

Um Rechte des Beschuldigten abzusichern, wird dieser mit der „Einladung“ zur Polizei anstelle dieser, den Rechtsanwalt seines Vertrauens aufsuchen.

Dies geschieht nach Entscheidung über eine Zusammenarbeit des Mandanten mit dem Anwalt im Beratungsgespräch. Sodann erfolgt mittels sog. Verteidigungsanzeige die Geltendmachung des Schweigerechts für den Mandanten und Akteneinsicht ist offiziell beantragt, welcher der Staat nachkommen muss, siehe § 147 StPO.

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