Wirtschaftsstrafrecht

Das Wirtschaftsstrafrecht umfasst Korruptionsverfahren, Insolvenzstrafrecht, Untreue und das gesamte Kapitalmarktstrafrecht im Konzernumfeld.

Wirtschaftsstraftaten sind eher selten Konflikttaten, sondern meist Folge (wiederkehrender) wirtschaftlicher Entscheidungen. Häufig sind mehrere Personen beteiligt. In den Anklageschriften bildet sich dies als Serientaten mit zahlreichen Beteiligten ab.
Dies wirft oftmals Fragen der Umgrenzungsfunktion und der Informationsfunktion der Anklage auf, auf welche mit den entsprechenden Prozesshebeln die Strafverteidigung zu reagieren weiss.

Weil bei gewerblich begangenen Serientaten eine Wiederholung befürchtet wird, greifen die Ermittlungsbehörden gerne zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr; § 112 a StPO.

Prozessual sind Wirtschaftsstrafverfahren oftmals schon beim Amtsgericht durch entsprechend gefasste Geschäftsverteilungspläne, jedenfalls aber beim Landgericht durch § 74c GVG den spezialisierten Spruchkörpern (Wirtschaftsstrafkammern) zugewiesen, was Verteidigungsbedarf bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters auslösen kann.

Wirtschaftsstrafverfahren sind zudem oftmals umfangreich, was typischerweise Probleme bei der Akteneinsicht und bei der Einführung des Verfahrensstoffs im Rahmen der Hauptverhandlung aufwirft. Das Problem des strafrechtlichen ,,Urkundenprozesses‘‘ zeigt sich alltägliche beim Selbstleseverfahren nach §249 Abs. 2 StPO.

Der Umfang der Verfahren lädt gern zur Verständigung nach § 257c StPO ein und spätestens, wenn sie sehr lange dauern, werfen sie Fragen der Kompensation überlanger Verfahrensdauer auf.

Ständiger Begleiter im Vermögensstrafrecht ist die Definition des wirtschaftlichen Schadens. Ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsrechts zur Schadensberechnung vom 23.6.2010- 2 BvR 2559/08 findet derzeit eine gravierende Änderung der Rechtsanwendung zur Schadenberechnung statt. Überkommene Kategorien zur normativen Schadensberechnung und der in der Alltagspraxis bedeutsame Gefährdungsspielräume. Ob sich diese auch gegen die normativen Schadenskonstruktionen des BGH beim Abrechnungsbetrug medizinischer Leistungserbringer anwenden lassen, bleibt abzuwarten.

Die Rechtsprechung des BVerfG zwingt zu einer Schärfung der Konturen des Untreuetbestandes § 266 StGB, etwa bei dem Gewicht des Treuepflichtverstoßes. Hier ergeben sich Verteidigungsfelder zur Eröffnung straffreien Wirtschaftsschadens.

Im Insolvenzstrafrecht verschärft sich dagegen die strafrechtliche Haftung. Dies beginnt bei der erleichterten Feststellung von Insolvenzgründen. Die strafrechtliche Verantwortung des GmbH- Geschäftsführers wird durch die Figur der omissio libera in causa ausgeweitet. Und durch die spätestens mit der Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH vom 15.05.2012 – 3 StR 118/11 – vollzogene Aufgabe der Interessentheorie werden nunmehr alle einschlägigen Handlungen des GmbH – Geschäftsführers in der Krise auch von den Bankrottdelikten (und nicht mehr nur von § 266 StGB) erfasst.