Verhalten im Notfall: Verhinderung der Untersuchungshaft

Sollte jemand Ihrer Familie oder Ihrer Geschäftspartner oder ein Freund oder Bekannter von Ihnen von der Polizei festgenommen und zum Polizeiabschnitt oder der Gefangenensammelstelle verbracht worden sein, sollten Sie schnellstmöglich einen Rechtsanwalt im Strafrecht zur effektiven Rechtewahrnehmung und Strafverteidigung beauftragen.

Dazu reicht es, den Rechtsanwalt im Strafrecht anzurufen und ihm am Telefon namens des Dritten mündlich zu beauftragen oder den Rechtsanwalt in seiner Kanzlei in Berlin oder vor dem Eingang des Bereitschaftsgerichts am Tempelhofer Damm oder dem Polizeiabschnitt persönlich anzutreffen.

Ihr Vorgehen ist rechtlich legitimes Mittel, mit Blick auf die Entwicklung des laufenden Strafverfahrens bedeutet die Anwaltseinschaltung sogar notwendiges Abwehrverhalten, denn das deutsche Strafprozessrecht schreibt dem Staat vor, dass der Beschuldigte sich in jedem Stadium des Verfahrens (Ermittlungsverfahren, Zwischenverfahren, Hauptverfahren und Vollstreckungsverfahren) dem Beistand eines Verteidigers bedienen kann (§ 137 Abs. 1 StPO):

Dies gilt ersichtlich v a bei der Frage möglicher und drohender Untersuchungshaft, da in diesem Verfahrensabschnitt die Ermittlungen noch andauern und anwaltliche Arbeit sehr früh Einfluss auf das Verfahren hat. Weil die Anordnung der Haft immer staatliche Freiheitsentziehung ist und dieser intensive Grundrechtseingriff die zeitnahe Beauftragung eines Verteidigers im Ermittlungsverfahren gebietet, sollte alsbald möglich gehandelt werden:

Nach Mandatierung des Rechtsanwalts im Strafrecht wird dieser sofort persönlich Kontakt mit der Polizei aufnehmen, sich dort ankündigen, im Kanzleiwagen eilig zur Gefangenenstelle bzw. zum Polizeiabschnitt fahren und bei kurzer Vorgangsschilderung der Polizei/ Staatsanwaltschaft prüfen, was gegen den Mandanten rechtlich und faktisch, dh überhaupt beweisbar und in einem etwaigen späteren Strafprozess haltbar, gegen ihn vorliegt und ob bzw. wie man ihn jetzt schnell aus der Haft rausholt.

Dafür bieten sich dem Anwalt von Gesetzes wegen gleich mehrere Möglichkeiten an:

– die Verhinderung eines U-Haftbefehlsantrag beim Staatsanwalt durch Gegenrede und Richtigstellung der Fakten

– die Verhinderung eines Antrages auf Erlass des U-Haftbefehls, sofern die Polizei/ das Landeskriminalamt plant, den Beschuldigten Mandanten zu vernehmen und sein Schweigen wegen sonstiger Beweislage für einen vom Gesetz geforderten dringenden Tatverdacht( § 112 StPO) für den U-Haftbefehl nicht ausreicht(keine Haft aus Mangel an Beweisen) .

– die Verhinderung eines Erlasses der U-Haftanordnung durch das Gericht (§ 120 Abs. 1, 3 StPO) durch anwaltliche Würdigung des staatlich ermittelnden Sachverhaltes und Gegenargumente zu einer Fluchtgefahr und zu den sozialen, va familiären und beruflichen Bedingungen des Mandanten

– die hilfsweise Verschonung von der U-Haft gegen geeignete Auflage (§ 116 StPO).

Dazu kann ein Haftbefehl, obgleich er aufrechterhalten wird, außer Vollzug gesetzt werden. Dies, wenn eine geeignete Maßnahme im Strafverfahren besser (im Juristendeutsch: verhältnismäßig bzw. zweckförderlich) ist, denn dann kann die Sicherung des Hauptverfahrens ebenso durchgeführt werden, wenn der Beschuldigte zB eine Meldeadresse in Berlin hat, bei seiner Familie, seinem Geschäftspartner, seinem Freund wohnt oder sich zu festen Zeiten bei einer Einrichtung meldet oder seinen Reisepass bei der Behörde abgibt, vgl. § 116 StPO. In einem solchen Fall wäre Untersuchungshaft nicht mehr nötig.

Sollte ein Ermittlungsrichter trotz aktiver Verteidigung wie oben angeführt Untersuchungshaft gegen den Mandanten anordnen, bieten sich dem Verteidiger weitere gesetzliche Möglichkeiten:

Antrag auf Anberaumung einer fristgemäß durchzuführenden Haftprüfung gemäß § 117 StPO unter Anwesenheitsrecht des Mandanten beim Richte, dies nach erfolgter Akteneinsicht.

Schriftliche Haftbeschwerde gegen die Untersuchungshaft anordnende Entscheidung des Haftrichters beim nächst höheren Gericht. Inhalt: Anwaltliche Würdigung des Tatvorwurfs unter Fokussierung auf Beweismittel und deren Entstehung, prognostische Einschätzung einer Verhandlung unter Erfahrungswerten bisheriger Urteile („keine fluchtanreizbietende Strafe“). Darlegung sozialer, dh familiärer und beruflicher Situation des Mandanten, Angriff auf richterlich bejahte Verhältnismäßigkeit zwischen Straftat und Anordnung der Haft. Ziel: Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise Verschonung unter Benennung nach § 116 geeigneter Auflage(n).

Im Falle dessen Ablehnung wird eingelegt:

Haftfortdauerbeschwerde beim Kammergericht (in Flächenstaaten: beim OLG).

Im Falle dessen rechtswidriger Ablehnung:

Rechtsweg zum Berliner Verfassungsgerichtshof eröffnet.

Dies alles bedarf anwaltlicher Kommunikation und ein entschiedenes Entgegentreten gegenüber der Staatsanwaltschaft sowie Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen beim Richter im Interesse des Mandanten.

Denn dafür, dass der Staat einen Haftbefehl gegen einen Mandanten erlässt und Untersuchungshaft anordnet, muss der Mandant einer Straftat dringend verdächtig sein sowie gegen ihn einer der in §§ 112 ff StPO genannten Haftgründe vorliegen und er z. B. wegen Fluchtgefahr, dem häufigsten Haftgrund, (später) einer hohen Straferwartung entgegen sieht.

Weiter darf die Anordnung der (Untersuchungs-)Haft nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat stehen, § 112 Abs.1 StPO.

Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, darf gegen den Mandanten ein Haftbefehl nicht ergehen.

Als Rechtsanwalt verstehe ich meine Aufgabe dahin, das Machtmonopol der Justiz zu begrenzen und als Korrektiv namens des Mandanten staatlichen Verfolgungseifer zu stoppen. Denn das Recht lebt vom Streit und der Streit begrenzt bekanntermaßen die Macht. Nirgendwo anders wird dieser Konflikt so deutlich wie im Strafrecht bzw. bei der Strafverteidigung.

Mit dem Auftrag wird der Anwalt in Strafsachen also zur Gefangenensammelstelle (in Berlin am Tempelhofer Damm 12, 12 Berlin) eilen und von der Polizei zum Beschuldigten persönlich vorgelassen, um mit ihm über den Fall persönlich zu reden und sodann mit ihm die Möglichkeiten seiner Haftverschonung durchgehen.

Dies in Vorbereitung, dh noch bevor der Mandant mit dem Anwalt zusammen zur sog. Haftvorführung muss, das heißt zur Anhörung über den Vorwurf beim Ermittlungsrichter. In allgemeinen Strafsachen ist der Sitz des Untersuchungsrichters auch am T-Damm, so dass zeitnah eine Haftvorführung erfolgt und der Anwalt Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nehmen wird.

Nur bei Mord und Totschlag (sog. Kapitaldelikten; vgl. § 76 GVG) erfolgt die Vorführung des Mandanten zum Haftrichter am Sitz des Amtsgerichts Tiergartens (Kriminalgericht Moabit). Daher würde der Mandant zur Gefangenenstelle am Sitz der Mordkommission des LKA Berlins verbracht werden (Keithstraße in Berlin-Charlottenburg).

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